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Blick auf die Einrichtung

164 Jahre Erfahrung: Wenn der Willi mit dem Dieter

Geschafft aus eigener Kraft: Die beiden Bewohner des Seniorenzentrums Pro Civitate Großenhain haben im Frühjahr ihre eigene Handwerkerbrigade gegründet.

Willi Stelzig (l.) und Dieter Engelmann aus dem Seniorenzentrum Pro Civitate in Großenhain sind die neue Handwerksbrigade (Wi-Di) des Hauses. Hier streichen sie gerade eine alte Gartenbank. © Norbert Millauer – Von Catharina Karlshaus

Morgens um zehn geht es auf der Mozartallee 121 a geschäftig zu. Denn morgens um zehn machen Willi Stelzig und Dieter Engelmann zuweilen das, was sie bereits seit einigen Monaten zu tun pflegen: Sie ziehen sich eine alte Hose an und parken ihren Rollator genau dort, wo sie ein paar Minuten später unter den wachsamen Augen von Ergotherapeutin Anett Hendel tatkräftig loslegen werden. „Unser Heimleiterassistent Daniel Zschau hatte im März davon berichtet, dass es in unserem Partnerheim in Meißen eine Truppe von männlichen Bewohnern gibt, die sich der Instandhaltung und Pflege von Mobiliar widmen. Da dachten einige von uns sofort, was die können, wollen wir auch“, erzählt Willi Stelzig und lacht.

Bis vor dreieinhalb Jahren lebte der Vater zweier Töchter noch eigenständig und sich selbst versorgend in einer Dresdner Wohnung. Gesund und voller geistiger Vitalität, die er allen gesundheitlichen Blessuren zum Trotz auch noch immer ausstrahlt. Dass er einen Schlaganfall hatte, welcher ihn letztlich auch die Entscheidung für das Seniorenzentrum treffen ließ, merkt man dem vielseitig interessierten 89-jährigen Mann nicht an. Lebenslustig, aktiv und auf sinnvolle Beschäftigungen bedacht, ist er stets zu einem Scherz aufgelegt und voller Tatendrang.

Kein Wunder also, dass Willi Stelzig sich sofort auf die Suche nach werkelnden Mitstreitern machte – und wurde neben einigen anderen Herren in Dieter Engelmann fündig. Der große kräftige Mann ist das, was man im Kreise der 68 Bewohner liebevoll als einen Neuzugang bezeichnet. Erst 75 Jahre alt, hatte das Leben dem Großenhainer wegen einer schweren Covid-19-Erkrankung ab Dezember 2020 die rote Karte gezeigt.

„Ich hatte mich um Weihnachten herum infiziert, war zunächst in Quarantäne, bis sich die Symptome verschlimmerten. Aufgrund einer ohnehin ausgeprägten Lungenerkrankung hatte ich glücklicherweise sowieso ein Sauerstoffgerät zuhause, sonst hätte ich die ersten Stunden, in welchem mein Zustand kippte, nicht überlebt“, erinnert sich Dieter Engelmann und schluckt.

Nach einer Lungenembolie und einem totalen körperlichen Zusammenbruch in den folgenden Wochen, kann der ehemalige Armeeangehöriger inzwischen wieder langsam am Rollator gehen. Und ist dankbar für das gemeinsame Arbeiten Seite an Seite mit Willi Stelzig, in welchem er nicht nur einen Gesprächspartner gefunden hat, sondern auch einen Menschen, der ihm mit all seinem Optimismus, der Herzlichkeit, aber auch einer ähnlichen Vergangenheit in seiner Eigenschaft als ehemaliger Verwaltungsdirektor des Militärkrankenhauses Dresden, ein freundschaftlicher Gefährte im neuen Lebensabschnitt geworden ist.

Willi Stelzig (l.) und Dieter Engelmann sind die beiden agilen Männer hinter der selbst ernannten Handwerksbrigade Wi-Di des Seniorenzentrums auf der Großenhainer Mozartallee. © Norbert Millauer

Gemeinsam haben die Männer nun schon so einiges geschafft. Besorgte der Hausmeister des Zentrums die Farbe oder andere notwendigen Materialien und Werkzeuge, hatte sich die selbsternannte Handwerksbrigade Wi-Di zunächst einen Plan gemacht, wo überall Hand angelegt werden sollte. Während Willi Stelzig gewissermaßen der planerische Kopf des enthusiastischen Duos ist, macht dem einstigen Spezialisten für große Maschinen, Kräne und Seilwinden praktisch so schnell keiner etwas vor. Bereits mehrere Bänke, Vogelhäuser und Insektenhotels sind zusammen schon mit einem frischem Anstrich versehen worden.

„Wir haben es hier im Haus wirklich sehr gut! Alle kümmern sich rührend um uns und es gibt in der Woche zahlreiche Angebote, die wir alle gern wahrnehmen. Aber so wie in unseren jüngeren Jahren, als wir noch selbständig in unserem Zuhause leben konnten, etwas schaffen zu dürfen, ist ein herrliches Gefühlt“, bekennt Willi Stelzig und streicht liebevoll über das Vogelhaus vor dem Eingang.

Willi Stelzig (li.) und Dieter Engelmann (re.) begutachten mit Kennerblick, aber auch mit einer verdienten Portion Stolz ihre Arbeit. © Norbert Millauer

Gut eine Stunde hat die Handwerkerbrigade mit regelmäßigen Pausen nun ihr Bestes gegeben. Zeit, die glücklich macht, aber nun auch ihr Recht fordert. „Gleich gibt es Mittagessen und dann freut sich der Willi auf seinen Mittagsschlaf“, verrät der rüstige Rentner, wedelt schelmisch mit dem Pinsel vor dem Gesicht seines Kompagnons umher und kichert. Keine Frage, die Aufgaben als Teil von Wi-Di tun den beiden Heinzelmännchen sichtlich gut. Und machen Vorfreude auf einen der nächsten Tage, an welchem es morgens um zehn wieder geschäftig zugeht. Mit Wi-Di auf der Großenhainer Mozartallee.

Quelle: 07.09.2021 aus der Sächsischen Zeitung