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Blick auf die Einrichtung

Hundert Jahre Erinnerungen

Irmgard Rosenbaum wurde vor 100 Jahren in Löwenhain geboren. Jetzt feiert sie ihren Geburtstag im Bärensteiner Seniorenheim mit einem Konzert und ohne Corona.

Irmgard Rosenbaum feiert gut gelaunt ihren 100. Geburtstag im Seniorenpflegeheim Bärenstein. © Egbert Kamprath

Zum 99. Geburtstag brachte die Familie eine Torte vorbei – mit Zuckerblumen verziert und einer geschwungenen „99“ in der Mitte. Doch essen musste Irmgard Rosenbaum sie allein. Zumindest ohne Familie, denn schon am 20. April des vergangenen Jahres war Corona ein großes Thema. Die Besuchssperre in den Seniorenheimen galt als hart, aber unvermeidbar.

Inzwischen hat sich einiges geändert: Auf der Torte steht eine glitzernde „100“. Irmgard Rosenbaum hat die Erst- und die Zweitimpfung hinter sich. Bei ihrem Sohn und ihren beiden Schwiegertöchtern, die mit ihr im Feierraum des Heims zusammensitzen, ist es die erste. Ständig bringen Pfleger neue Blumensträuße oder Präsentkörbe herein, die jemand für Frau Rosenbaum abgegeben hat.

Bekannte Leiterin der Konsum-Gaststätte Stadt Bärenstein

Denn die frischgebackene 100-Jährige ist bekannt in Bärenstein. Viele Jahre lang leitete sie die Konsum-Gaststätte auf dem Markt. „Zu meinem 60. Geburtstag dachte ich: Was ist denn das für ein Krach auf dem Markt“, erinnert sich die Seniorin mit klarer Stimme: „Es war Mitternacht, und wir saßen noch beisammen. Da haben mir draußen die jungen Burschen plötzlich ein Ständchen geblasen.“

Derweil wird es immer trubeliger im Foyer des Heims: Pflegerinnen begleiten die Senioren in den großen Gemeinschaftsraum, rücken alle so zurecht, dass jeder einen Blick auf die Bühne hat. Denn dort wird das größte Geschenk der Familie vorbereitet: Ein Auftritt von Madeleine Wolf, der Sängerin aus Lauenstein. Eine Stunde lang gibt sie beliebte Schlager zum Besten. „Dazu haben wir das ganze Heim mit eingeladen“, sagt Bernd Zimmerhäckel, mit 69 Jahren der jüngste Sohn von Irmgard Rosenbaum: „Nach der langen Coronazeit wollten wir für Abwechslung sorgen.“

Lebensmotto „Hauptsache selbstständig“

Eigentlich fand Irmgard Rosenbaum die Zeit ohne Besuch in den Wintermonaten gar nicht so schlimm. „Ich komme ganz gut allein zurecht“, sagt sie. Mit der Devise „Hauptsache selbstständig“ hat sie ihr ganzes Leben gemeistert – und als die wichtigste Lehre auch an ihre Söhne weitergegeben. „Sie mussten ja selbst zurechtkommen. In der Gaststätte habe ich von früh 7 Uhr gearbeitet, bis 24 Uhr die letzten gegangen waren.“

Ihre Gäste bestanden aus den FDGB-Urlaubern in den verschiedenen Unterkünften des Ortes. „Einmal in der Woche war Ruhetag – doch das war gleichzeitig der Wäschewechsel-Tag der FDGB-Urlauber.“ Also nichts mit Ruhe, denn auch das geschah bei ihr.

Schulköchin für 300 Kinder

„Als ich mir wegen Weihnachten Sorgen machte – denn da war ich auch in der Gaststätte – sagten meine Söhne nur: ‚Hauptsache, du hast ein Essen dabei'“, erzählt sie lachend. „Ich bin dann mit einer gebratenen Pute im Eimer zu ihnen gefahren.“ Mit dem Zug, denn da arbeitete sie schon in der Gaststätte „Coventry“ in Dresden-Reick.

„Meine Mutter wollte schon als Kind Köchin werden. Erst half sie auf dem Rittergut in Possendorf mit, dann ging sie an der deutsch-polnischen Grenze in Stellung“, erzählt ihr Sohn. Die größte Herausforderung sei ihre Zeit als Schulköchin in Dresden gewesen: „Für 300 Kinder Speisen zubereiten, das hat ihr großen Spaß gemacht“, sagt ihr Sohn. „Wenn es Grießbrei geben sollte, hieß das: die ganze Zeit immer reihum die schweren Töpfe umrühren.“

Damals wurde ihr als Auszeichnung für gute Arbeit eine Reise nach Jugoslawien gewährt. Heute hat sie zwei künstliche Hüftgelenke. „Mit dem Rollator geht sie trotzdem allein zum Mittagessen“, sagt ihr Sohn: „Es ist ihr eben wichtig, alles selbst zu machen.“

Quelle: Sächsische Zeitung, 21.04.2021
Quelle: https://www.saechsische.de/altenberg/hundert-jahre-erinnerungen-5425537-plus.html