Mit Kind am Arbeitsplatz
Die Seniorenresidenz Pro Civitate in Großenhain findet keine qualifizierten Mitarbeiter mehr. Deshalb hat sie eine besondere Lösung gefunden.
Pflegedienstleiterin Diana Strach-Brosig und ihr Sohn Eddi. Der 13 Monate alte Junge begleitet die Großenhainerin bereits seit Ende des Mutterschutzes.
© Foto: Anne Hübschmann / Von Catharina Karlshaus
Großenhain. Der Jüngste ist schon auf den Beinchen. Schnell flitzt er mit seiner Gehhilfe von einer Ecke des Ganges in die andere und ist mit seinem betagten Gegenverkehr durchaus in guter Gesellschaft. Der alte Herr lässt sich augenscheinlich gern überholen und strahlt übers ganze Gesicht. „Ist das nicht eine Freude? Irgendwann vor langer Zeit konnte ich auch mal so schnell seppeln, aber jetzt wollen die müden Knochen nicht mehr“, sagt der 83-Jährige lachend und schaut den kleinen Jungen liebevoll an.
Der Sympathieträger mit dem knallroten Wuschelhaar strahlt zurück und ist dabei schon wieder unterwegs in Richtung Mamas Büro. Jenem Ort, welcher für den inzwischen 13 Monate alten Steppke Laufgitter, Schlaf- und Spielplatz gleichermaßen geworden ist.
Denn Eddi ist der Sohn von Diana Strach-Brosig. Seit der Eröffnung der Großenhainer Residenz Pro Civitate ist die Röderstädterin als Pflegedienstleiterin in der renommierten Einrichtung tätig. Eine Tätigkeit, die der 39-Jährigen nach eigenem Bekunden von Anfang an viel Freude bereitet.
„Ich habe das große Glück, etwas zu besitzen, was viele Angestellten sich wünschen! Natürlich muss ich meine Arbeit wie jeder andere tun und die ist angesichts der Menschen, die wir hier betreuen, selbstverständlich mit einer großen Verantwortung verbunden. Aber ich kann das unter sehr kollegialen Bedingungen tun. Hier ist jeder wie in einer großen Familie für den anderen da“, bekennt Diana Strach-Brosig.
Mariane und Rachelle zählen zu den guten Geistern im Heim.
Die beiden philippinischen Pflegekräfte arbeiten seit längerer Zeit in der Großenhainer Residenz. © Foto: Anne Hübschmann
Als sich ihr zweites Kind Eddi ankündigte, habe sie deshalb auch nicht lange überlegen müssen. Am 22. Dezember 2018 zur Welt gekommen, schlummerte der Wonneproppen bereits Ende Februar in ihrem Dienstzimmer.
„Wenn die über meiner Tür angebrachte Lampe rot leuchtete, wussten die Bewohner, jetzt stille ich oder mein Sohn schläft. Da hat sich jeder dran gehalten, das klappte ganz wunderbar“, erinnert sich Diana Strach-Brosig. Ohne Probleme wäre das Arbeiten in Anwesenheit des munteren Gesellen möglich gewesen – und für den Chef der Einrichtung sicherlich ein wahrer Segen.
Steffen Kummerlöw macht seinerseits tatsächlich gar keinen Hehl daraus, dass er sehr glücklich über das Engagement der jungen Mutter ist. Wohl wissend, und vor allem anerkennend, dass die Herausforderung innerhalb der 40-Stunden-Arbeitswoche und ihrer familiären Verpflichtungen für vier Personen immens ist.
Allerdings: „Wenn Frau Strach-Brosig in die ihr selbstverständlich zustehende Elternzeit gegangen wäre, hätten wir hier ein echtes Problem bekommen! Ich wüsste nicht, wie ich so eine kompetente und menschlich integere Fachkraft gleichwertig ersetzen sollte“, erklärt Steffen Kummerlöw.
Auch in den Residenzen Großenhain und Meißen kämpfe man schon lange mit Personalproblemen, mit denen sich deutschlandweit alle Senioreneinrichtungen konfrontiert sehen. Einziger Lichtblick: Phillipinische junge Frauen wie Mariane und Rachelle, die das Team der beiden Häuser verstärken.
Bereits seit 2016 profitierten die Heime von einer Kooperation ihres Trägers mit dem Inselstaat im Westpazifik. Weil es auf dem Arbeitsmarkt kaum noch qualifizierte Altenpfleger gebe, bilde er nun selbst Pflegekräfte aus. „Kurzfristig hilft uns das jedoch auch nicht weiter! Ich hab seit Monaten keine einzige Bewerbung einer Fachkraft mehr auf dem Schreibtisch vorgefunden“, sagt Steffen Kummerlöw.
Noch nicht einmal Pflegehilfskräfte, deren einzige Qualifikation ein großes Herz und kein Ekelgefühl sein müssten, seien in der Region zu finden. Mittlerweile stelle man sich ganz bewusst auf einschlägigen Jobbörsen wie der im Großenhainer Kulturschloss vor, und wäre froh, wenn sich wie im betreffenden Fall tatsächlich drei Quereinsteiger fänden.
„Ich bedauere diesen Trend wirklich sehr! Unsere Gesellschaft wird bekanntermaßen immer älter und wir werden auf jüngere Menschen angewiesen sein, die bereit sind, sich um die ältere Generation zu kümmern“, gibt Steffen Kummerlöw zu bedenken.
Der Beruf des Altenpflegers habe sich bis jetzt leider noch nicht von seinem schlechten Image erholen können. Dabei seien aufgrund vieler moderner Hilfsmittel die Arbeitsbedingungen weitaus besser als vor zehn Jahren und auch an der Vergütung hätten die meisten Einrichtungen nach oben geschraubt.
Gleich geblieben ist indes sicherlich die ehrliche Dankbarkeit der Senioren, um die sich Menschen wie Diana Strach-Brosig und all ihre Mitstreiter kümmern. Und Eddi, der Sonnenschein der Großenhainer Residenz.
Vielen Dank an die Sächsische Zeitung